Tabuthema sexuelle Funktionsstörungen
22.01.2010
Wie kann der Hausarzt das Eis brechen?
Dr. med. Kornelia Hackl, Urologin und Andrologin in München, erzählt, wie sie im Gespräch die Hemmschwelle der Patienten überwindet.
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Interview...
Frau Dr. Hackl, wie äußert sich die Ejaculatio praecox?
Diese Funktionsstörung ist durch die Parameter Zeit, Kontrolle und Leidensdruck gekennzeichnet. Sie treten im Zusammenspiel auf: Da die Patienten ihren Ejakulationsreflex nicht steuern können, ejakulieren sie innerhalb kürzester Zeit nach – manchmal sogar vor der Penetration. Bei den Männern, die wegen einer Ejaculatio praecox in meine Praxis kommen, kompromittiert diese meist das gesamte Sexualleben.
Sicher fällt es vielen Männern nicht leicht, über ihre Ejakulationsstörung zu sprechen. Wie brechen Sie das Eis?
Tatsächlich traut sich nur eine Minderheit, ihr Problem sofort offen anzusprechen. Das sind meist jüngere Männer, die aus dem Internet oder anderen Medien schon viel über die Krankheit wissen. Andere kommen unter einem Vorwand in die Praxis, z. B. Probleme beim Wasserlassen, Flankenschmerz oder wegen eines früheren Nierensteins. Im persönlichen Kontakt merkt man schnell, dass sie etwas anderes belastet. In solchen Fällen gilt es, zuerst Vertrauen und eine angenehme Atmosphäre aufzubauen.
Wie gelingt es Ihnen, das eigentliche Problem anzusprechen?
Ich steige mit allgemeinen urologischen Fragen ein: Kommen Sie zur Vorsorge, haben Sie Probleme beim Wasserlassen, liegt oder lag eine Prostataerkrankung vor etc. Rasch finden wir so ins Gespräch. Dann schiebe ich die Frage nach, wie es um das Liebesleben steht.
Wie stellen Sie fest, um welche sexuelle Funktionsstörung es sich gegebenenfalls handelt?
Dazu ist es wichtig, Probleme mit der Libido, Erektions-, Ejakulations- und Orgasmusstörungen zu differenzieren. Damit Arzt und Patient über das Gleiche sprechen, eignen sich geschlossene Fragen, die die Patienten mit Ja oder Nein beantworten können, z. B.: Fehlt Ihnen sexuelles Verlangen? Verspüren Sie Lust, doch Ihr Glied wird nicht steif genug, um in die Scheide einzudringen? Wann war der letzte Geschlechtsverkehr? Treten diese Probleme in einer bestimmten Situation auf? Ejakulieren Sie zu früh oder können Sie in die Scheide eindringen? So bleibt dem Patienten erspart, nach den richtigen Worten ringen zu müssen.
Was ist bei der Diagnose Ejaculatio praecox zu beachten?
Besonders bei Patienten, die noch nicht seit Beginn ihrer sexuellen Aktivität betroff en sind, bei denen also keine primäre, angeborene Ejaculatio praecox vorliegt, gilt es, nach organischen Erkrankungen zu fahnden, die auch eine vorzeitige Ejakulation bedingen können. Auch der persönliche Leidensdruck sollte in die Diagnose einbezogen werden. Der Patient muss mir vermitteln können, dass die vorzeitige Ejakulation ihn – und häufig auch seine Partnerin – in den physischen und psychologischen Aspekten der Sexualität beeinträchtigt.
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
Lange konnten wir den Patienten nur langwirksame SSRI off-label verschreiben. Bei diesen zeigte sich jedoch – bedingt durch die tägliche Einnahme – eine schwache Compliance und eine ungünstige Risiko-Nutzen-Relation. Seit Juni 2009 ist mit Dapoxetin (Priligy®) das erste Arzneimittel für die Ejaculatio praecox in Deutschland zugelassen und verfügbar.
Wie beurteilen Sie diese neue Option?
Bisher hat sich der Wirkstoff in Studien und auch bei meinen Patienten bewährt. Die Männer, die meist mit der 30-mg-Dosis begannen, sind in der Regel sehr zufrieden. Sie empfanden eine verbesserte Ejakulationskontrolle und konnten ihre Ejakulationslatenzzeit verlängern. Dabei beurteilten sie die Einnahme der Tablette bei Bedarf ein bis drei Stunden vor dem Geschlechtsverkehr als unkompliziert und den Wirkstoff als gut verträglich.
sl
Vielen Dank für das Gespräch.
Herzlich willkommen in der Privatpraxis
Dr. med. Kornelia Hackl, Tel. 089 75 900 159
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